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Es ist die eine Liebe

Geistlicher Impuls des Kolping-Bundespräses Hans-Joachim Wahl zum Sonntag.

Beim Evangelium dieses Sonntags herrscht Einigkeit unter den Bibelwissenschaftlern: neben einer wichtigen Botschaft Jesu wird uns hier auch ein Einblick in die frühe christliche Gemeinde vermittelt.

Johannes sagte zu Jesus: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden.Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.(Mk 9, 38-40)

Eine Haltung, wie sie Johannes, der Sohn des Zebedäus, hier zum Ausdruck bringt, ist uns nicht unbekannt. Sie wird überall da spürbar, wo Menschen für sich in Anspruch nehmen, die Wahrheit zu besitzen, auf die Erfüllung bestimmter Ansprüche zu pochen und im äußersten Fall anderen die Rechtgläubigkeit absprechen. Zur Erinnerung: die Zebedäussöhne Johannes und Jakobus waren die beiden, die Jesus auch nach einem besonderen Platz für sich zu seiner Rechten und seiner Linken gefragt hatten. Dass die Frage nicht von Petrus, dem Sprecher der Apostel, gestellt wird, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass hier die junge Kirche im Blick ist und die Tendenz, exklusiv im Namen Jesu tätig zu sein. Daher ist die deutliche Antwort Jesu mehr als eine schlagfertige Zurückweisung. Sie hält nämlich gegen alle Exklusivität den Himmel offen: überall da, wo das Gute geschieht, weil es gut ist, ist Gott nahe. Und wer Jesus und seine Botschaft weitersagt, kann nicht schlecht reden – im Gegenteil! Da können sogar Wunder geschehen. Offenheit statt Exklusivität. Darum geht es Jesus. Weite des Herzens statt engstirniger Selbstbegrenzung. Das ist keine Einbahnstraße, und es gilt schon gar nicht für eine geschlossene Gesellschaft. Die, die hier vorbildlich handeln, gehören gar nicht zum engeren Kreis der christlichen Gemeinde, aber sie tun das Gute, weil es gut ist. Das zeichnet sie aus. Jesus befürwortet ihr Tun:

„Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört - Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen. Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.“ (Mk 9, 41 f.)

Die „Kleinen“, von denen Jesus hier spricht, sind nicht Kinder, sondern die Christ*innen der jungen Kirche, die erst am Anfang des Glaubens stehen. 

Dass mit der Offenheit und der Weite des Herzens keine Beliebigkeit verbunden ist, kommt im weiteren, drastischen Verlauf der Worte Jesu zum Ausdruck. Die Bilder vom ausgerissenen Auge und von abgetrennten Gliedmaßen prägen sich ein. Sie verschwinden nicht schnell aus dem Gedächtnis. Sie machen deutlich: wenn es um die Verführung zum Bösen geht, liegt die letzte entscheidende Instanz beim Menschen selbst. Da gilt es, echt und eindeutig zu sein. Eine Entscheidung für den Weg Jesu schließt keinen Bereich des Lebens aus. 

Damit sind klare Punkte abgesteckt: das Gute hat absolute Priorität, weil es in sich gut ist, und das allein zählt. Es ist die eine Liebe, die Menschen als Menschen im Tiefsten auszeichnet. Um die geht es: in der Kirche, in der Politik, in unserer Gesellschaft, in unserem Leben. Darauf weist uns das Evangelium in drastischen, aber deutlichen Bildern hin. Wo solche Liebe geübt wird, ist sie eindeutig und unteilbar. Sie durchdringt den ganzen Menschen und wendet sich allen Menschen grenzenlos zu. 

Wenn wir dieser Liebe, die uns zu Menschen macht und als Menschen auszeichnet, die Vorfahrt lassen, wird Gott in seiner ganzen Liebe wirksam und erfahrbar.
Adolph Kolping hat den Kern des Sonntagsevangeliums durchschaut. Er gibt uns einen guten Anstoß für die neue Woche, wenn er schreibt. „Im Gutestun, in der praktischen christlichen Liebestätigkeit müssen unsere katholischen Christen noch manches lernen, darin müssen sie das bereits Gelernte noch viel mehr üben.“