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Missglückte Berufung - oder die Umleitung zum Glücklichsein

Geistlicher Impuls des Kolping-Bundespräses Hans-Joachim Wahl zum Sonntag.

Ein glückliches Leben führen – das will wohl jeder Mensch. Glücklich werden ist ein so wichtiges Lebensziel, dass es sogar in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ausdrücklich genannt wird.

So gesehen ist es gar nicht so speziell, dass der Mann im Evangelium mit dieser Frage zu Jesus kommt. Für den Mann im Evangelium geht die Frage des Glücklichwerdens über dieses Leben hinaus – er will das ewige Leben erben. Jesus verweist ihn zunächst auf die Gebote Gottes als Weg zum Leben. Wir dürfen annehmen, dass Jesus die Antwort des Mannes „Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt“ (Mk 10,20) ernst nimmt und ihn sympathisch findet; er umarmt ihn und weist ihn auf das hin, was ihm noch fehlt: dass er alles verkauft, was er hat, den Erlös den Armen gibt und Jesus nachfolgt, um damit einen Schatz im Himmel zu haben. Da tut sich der Konflikt auf: „der Mann ging traurig weg, denn er hatte ein großes Vermögen.“ (Mk 10.22)  Die Umarmung Jesu kann er nicht wirklich beantworten – die feste Bindung an seinen Besitz verhindert seine letzte Hingabe. Jesu Botschaft ist aber: Schenken und Verschenken kann Menschen selig machen. Das Evangelium dieses Sonntags sagt, dass diesem Weg die ganze Zukunft gehört. 

Wie kann ich glücklich werden, wenn ich das verschenke, was mir Sicherheit gibt und die Möglichkeit, mir selbst und anderen Gutes zu tun? Muss ich es nicht wenigstens bewahren, um weiter bestehen zu können? Das sind Fragen, die wir aus unserer vom Wohlstand geprägten Lebenssituation stellen. 

Die moderne Bibelwissenschaft weist darauf hin, dass das Motiv des Reichtums und des Verschenkens erst später in unser Evangelium hineingekommen ist. Der ursprüngliche Erzählkern ist eigentlich der eines Misserfolgs für Jesus: er hat den Mann trotz aller Sympathie nicht gewinnen können. Die Berufung ist tragisch gescheitert. Jesus bleibt traurig zurück. 

Mit der Aufforderung zum Verschenken seines Reichtums sagt dem fragenden Mann schlicht: das, was dir fehlt, ist nicht etwas, schon gar nicht etwas, was du noch zusätzlich tun musst, sondern was dir fehlt, bin ich. In der Gemeinschaft mit mir wirst du finden, was du suchst: das Glück und die Seligkeit, die nicht an irdischen Gütern hängt. Wer ein solches Verhältnis zu Jesus pflegt, kann leicht Lebenszeit einsetzen und das verschenken, was er oder sie hat. Wo aus einer solchen Haltung gelebt wird, wird ein Stück von dem verwirklicht, was uns im Himmel verheißen ist: unvergängliche Glückseligkeit, die nicht ängstlich darauf schauen muss, dass die materiellen Güter bewahrt bleiben.

Deshalb ist in der alttestamentlichen Lesung, die immer ergänzend zum Evangelium ausgewählt ist, von der göttlichen Weisheit die Rede:

„Ich zog sie Zeptern und Thronen vor, Reichtum achtete ich für nichts im Vergleich mit ihr.“ (Weish 7,7)

„Alles meinem Gott zu Ehren“ oder „O Jesu, all mein Leben bist du“ – das singt sich leichter als es sich lebt. Dabei liegt das Geheimnis des Lebens nicht im Festhalten, sondern in der Hingabe und in der Nachfolge Jesu, wie Adolph Kolping in aller Deutlichkeit beschreibt: 

„Es gibt für dich, erkennst du erst deinen Erlöser an, gar keine Ausflucht mehr: Entweder musst du ihm folgen oder das Urteil der Verwerfung über dich selbst fällen. Folgst du ihm aber, musst du ihm auch ganz folgen, musst du seine Lehre dir auch zur Richtschnur deines ganzen Tuns und Lassens machen. Etwas Halbes, etwas Zweideutiges ist hier schon gründlich schlecht.“

Der Bibelwissenschaftler Klaus Berger deutet diesen Abschnitt des Evangeliums so: „Der christliche Weg zum Glücklichwerden lässt sich am besten mit einer Umleitung im Straßenverkehr vergleichen. Jedes Schild Umleitung ärgert uns zunächst, denn es kündigt erhebliche Nachteile und Verzögerungen an. Wir kommen dabei nur zum Ziel, wenn wir nicht in gerader Richtung den geplanten Weg nehmen. So ist es auch mit dem Reichwerden und dem Glücklichsein. Jesus führt uns über eine Umleitung, die zunächst in die entgegengesetzte Richtung zu führen scheint. Wie widersinnig, das Leben zu verschenken, wenn man es doch gewinnen und genießen will, wenn man doch Lebensfreude als das höchste Gut ansieht. Jesus ist kein Verächter des Lebens. Lebensfeindlichkeit wäre das Letzte, das man ihm nachsagen könnte. Er ist vielmehr ein Meister auf dem Weg zum Glücklichsein.“

Oder: „Froh und glücklich machen, trösten und erfreuen ist im Grunde doch das Glücklichste und Beste, was der Mensch auf dieser Welt ausrichten kann.“ (Adolph Kolping)